Schrift 88 Paper 88
Fetische, Zauber und Magie Fetishes, Charms, and Magic
88:0.1 (967.1) DIE Vorstellung, dass ein Geist in einen leblosen Gegenstand, in ein Tier oder in ein menschliches Wesen eindringen kann, ist ein sehr alter und ehrwürdiger und seit dem Beginn der Evolution der Religion weit verbreiteter Glaube. Diese Lehre von der Besitzergreifung durch Geister ist nicht mehr und nicht weniger als Fetischismus. Der Wilde betet nicht notwendigerweise den Fetisch an; sehr folgerichtig betet er den darin wohnenden Geist an und verehrt ihn. 88:0.1 (967.1) THE concept of a spirit’s entering into an inanimate object, an animal, or a human being, is a very ancient and honorable belief, having prevailed since the beginning of the evolution of religion. This doctrine of spirit possession is nothing more nor less than fetishism. The savage does not necessarily worship the fetish; he very logically worships and reverences the spirit resident therein.
88:0.2 (967.2) Zuerst glaubte man, der einen Fetisch bewohnende Geist sei das Phantom eines verstorbenen Menschen; später nahm man an, dass die Fetische höhere Geister beherbergten. Und so vereinigte der Fetischkult am Ende alle primitiven Vorstellungen von Phantomen, Seelen, Geistern und dämonischer Besessenheit in sich. 88:0.2 (967.2) At first, the spirit of a fetish was believed to be the ghost of a dead man; later on, the higher spirits were supposed to reside in fetishes. And so the fetish cult eventually incorporated all of the primitive ideas of ghosts, souls, spirits, and demon possession.
1. Glaube an Fetische ^top 1. Belief in Fetishes ^top
88:1.1 (967.3) Die primitiven Menschen wollten immer aus allem Außerordentlichen einen Fetisch machen; deshalb hat der Zufall vieles entstehen lassen. Jemand ist krank, da geschieht etwas, und es geht ihm wieder gut. Dasselbe gilt für den guten Ruf vieler Heilmittel und für die mit dem Zufall arbeitenden Methoden der Krankheitsbehandlung. Mit Träumen verbundene Gegenstände hatten gute Aussicht, in Fetische verwandelt zu werden. Vulkane, aber nicht Berge wurden zu Fetischen gemacht; Kometen, aber nicht Sterne. Die frühen Menschen glaubten, dass Sternschnuppen und Meteore die Ankunft von besonderen Geisterbesuchern auf der Erde anzeigten. 88:1.1 (967.3) Primitive man always wanted to make anything extraordinary into a fetish; chance therefore gave origin to many. A man is sick, something happens, and he gets well. The same thing is true of the reputation of many medicines and the chance methods of treating disease. Objects connected with dreams were likely to be converted into fetishes. Volcanoes, but not mountains, became fetishes; comets, but not stars. Early man regarded shooting stars and meteors as indicating the arrival on earth of special visiting spirits.
88:1.2 (967.4) Die ersten Fetische waren Steine mit Besonderheiten, und „heilige Steine“ sind seit damals etwas vom Menschen sehr Begehrtes geblieben; die Perlenkette war einst eine Sammlung heiliger Steine, eine Reihe von Amuletten. Viele Stämme hatten Steinfetische, aber nur wenige haben überdauert, wie die Kaaba oder der Stein von Scone. Auch Feuer und Wasser gehörten zu den frühen Fetischen, und Feueranbetung sowie der Glaube an heiliges Wasser sind immer noch lebendig. 88:1.2 (967.4) The first fetishes were peculiarly marked pebbles, and “sacred stones” have ever since been sought by man; a string of beads was once a collection of sacred stones, a battery of charms. Many tribes had fetish stones, but few have survived as have the Kaaba and the Stone of Scone. Fire and water were also among the early fetishes, and fire worship, together with belief in holy water, still survives.
88:1.3 (967.5) Baumfetische sind eine spätere Entwicklung, aber bei einigen Stämmen führte das Verharren in der Naturanbetung zum Glauben an Zauberpflanzen, die von irgendwelchen Naturgeistern bewohnt wurden. Wenn Pflanzen und Früchte zu Fetischen wurden, waren sie als Speisen tabu. Der Apfel fiel als einer der ersten in diese Kategorie; er wurde von den Völkern der Levante nie gegessen. 88:1.3 (967.5) Tree fetishes were a later development, but among some tribes the persistence of nature worship led to belief in charms indwelt by some sort of nature spirit. When plants and fruits became fetishes, they were taboo as food. The apple was among the first to fall into this category; it was never eaten by the Levantine peoples.
88:1.4 (967.6) Wenn ein Tier Menschenfleisch fraß, wurde es zu einem Fetisch. Auf diese Weise wurde der Hund zum heiligen Tier der Parsen. Wenn der Fetisch ein Tier ist und das Phantom dieses dauernd bewohnt, kann es zu einem Übergreifen von Fetischismus auf Reinkarnation kommen. In mancher Hinsicht beneideten die Wilden die Tiere; sie fühlten sich ihnen nicht überlegen, und sie trugen oft den Namen ihrer Lieblingstiere. 88:1.4 (967.6) If an animal ate human flesh, it became a fetish. In this way the dog came to be the sacred animal of the Parsees. If the fetish is an animal and the ghost is permanently resident therein, then fetishism may impinge on reincarnation. In many ways the savages envied the animals; they did not feel superior to them and were often named after their favorite beasts.
88:1.5 (967.7) Als Tiere zu Fetischen wurden, war die Folge davon die Tabuisierung des Genusses von Fetischtierfleisch. Primaten und Affen wurden wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Menschen früh zu Fetischtieren; später widerfuhr dasselbe auch Schlangen, Vögeln und Schweinen. Zu einer bestimmten Zeit war die Kuh ein Fetisch, wobei ihre Milch tabu war, während ihre Exkremente hoch geschätzt waren. Die Schlange wurde in Palästina insbesondere von den Phöniziern verehrt, die wie die Juden glaubten, sie sei das Sprachrohr böser Geister. Sogar viele moderne Menschen glauben an die Zauberkräfte der Reptilien. Von Arabien über Indien bis zu den roten Menschen vom Stamm der Moqui mit ihrem Schlangentanz ist die Schlange verehrt worden. 88:1.5 (967.7) When animals became fetishes, there ensued the taboos on eating the flesh of the fetish animal. Apes and monkeys, because of resemblance to man, early became fetish animals; later, snakes, birds, and swine were also similarly regarded. At one time the cow was a fetish, the milk being taboo while the excreta were highly esteemed. The serpent was revered in Palestine, especially by the Phoenicians, who, along with the Jews, considered it to be the mouthpiece of evil spirits. Even many moderns believe in the charm powers of reptiles. From Arabia on through India to the snake dance of the Moqui tribe of red men the serpent has been revered.
88:1.6 (968.1) Gewisse Wochentage waren Fetische. Während ganzer Zeitalter galt der Freitag als Unglückstag und die Dreizehn als schlecht. Die Glückszahlen drei und sieben kamen von späteren Offenbarungen; die Vier war die Glückszahl des primitiven Menschen, weil er schon früh die vier Himmelsrichtungen erkannt hatte. Man hielt es für unheilvoll, sein Vieh oder anderen Besitz zu zählen; die Alten lehnten sich immer gegen die Abhaltung eines Zensus, einer „Zählung des Volkes“ auf. 88:1.6 (968.1) Certain days of the week were fetishes. For ages Friday has been regarded as an unlucky day and the number thirteen as an evil numeral. The lucky numbers three and seven came from later revelations; four was the lucky number of primitive man and was derived from the early recognition of the four points of the compass. It was held unlucky to count cattle or other possessions; the ancients always opposed the taking of a census, “numbering the people.”
88:1.7 (968.2) Der primitive Mensch machte aus dem Geschlecht keinen ungebührlichen Fetisch; der Fortpflanzungsfunktion wurde nur beschränkte Aufmerksamkeit geschenkt. Der Wilde hatte ein natürliches und kein obszönes oder laszives Empfinden. 88:1.7 (968.2) Primitive man did not make an undue fetish out of sex; the reproductive function received only a limited amount of attention. The savage was natural minded, not obscene or prurient.
88:1.8 (968.3) Der Speichel war ein mächtiger Fetisch; Teufel konnten ausgetrieben werden, indem man auf eine Person spuckte. Von einem Älteren oder Höheren angespuckt zu werden, galt als höchstes Kompliment. Teile des menschlichen Körpers wurden als mögliche Fetische betrachtet, insbesondere Haar und Nägel. Die langgewachsenen Fingernägel der Häuptlinge waren hoch geschätzt, und die Schnipsel davon waren ein machtvoller Fetisch. Der Glaube an Schädelfetische ist für vieles in der späteren Kopfjägerei verantwortlich. Die Nabelschnur war ein hoch geschätzter Fetisch, und er ist es in Afrika bis heute geblieben. Das erste Spielzeug der Menschheit war eine getrocknete Nabelschnur. Häufig mit Perlen besetzt, stellte sie die erste Halskette des Menschen dar. 88:1.8 (968.3) Saliva was a potent fetish; devils could be driven out by spitting on a person. For an elder or superior to spit on one was the highest compliment. Parts of the human body were looked upon as potential fetishes, particularly the hair and nails. The long-growing fingernails of the chiefs were highly prized, and the trimmings thereof were a powerful fetish. Belief in skull fetishes accounts for much of later-day head-hunting. The umbilical cord was a highly prized fetish; even today it is so regarded in Africa. Mankind’s first toy was a preserved umbilical cord. Set with pearls, as was often done, it was man’s first necklace.
88:1.9 (968.4) Bucklige und verkrüppelte Kinder wurden als Fetische betrachtet; von den Geisteskranken glaubte man, sie seien vom Mond befallen. Der Primitive wusste nicht zwischen Genie und Verrücktheit zu unterscheiden; Idioten wurden entweder zu Tode geprügelt oder als Fetisch-Persönlichkeiten verehrt. Hysterie gab dem Volksglauben an Hexerei immer mehr Nahrung; oft waren Priester und Medizinmänner Epileptiker. Betrunkenheit wurde als eine Form von Besessenheit durch Geister betrachtet; wenn ein Wilder sich betrinken ging, steckte er sich ein Blatt ins Haar, was bedeutete, dass er alle Verantwortung für sein Tun ablehnte. Gifte und Rauschmittel wurden zu Fetischen; man hielt sie für besessen. 88:1.9 (968.4) Hunchbacked and crippled children were regarded as fetishes; lunatics were believed to be moon-struck. Primitive man could not distinguish between genius and insanity; idiots were either beaten to death or revered as fetish personalities. Hysteria increasingly confirmed the popular belief in witchcraft; epileptics often were priests and medicine men. Drunkenness was looked upon as a form of spirit possession; when a savage went on a spree, he put a leaf in his hair for the purpose of disavowing responsibility for his acts. Poisons and intoxicants became fetishes; they were deemed to be possessed.
88:1.10 (968.5) Bei vielen Völkern galten Genies als Fetisch-Persönlichkeiten, die von einem weisen Geist besessen waren. Und diese talentierten Menschen lernten bald, zur Förderung ihrer eigenen Interessen auf Betrug und Kniffe zurückzugreifen. Man dachte, ein Fetisch-Mensch sei mehr als menschlich; er war göttlich, ja sogar unfehlbar. Dadurch geboten Häuptlinge, Könige, Priester, Propheten und Kirchenoberhäupter schließlich über große Macht und übten unbeschränkte Autorität aus. 88:1.10 (968.5) Many people looked upon geniuses as fetish personalities possessed by a wise spirit. And these talented humans soon learned to resort to fraud and trickery for the advancement of their selfish interests. A fetish man was thought to be more than human; he was divine, even infallible. Thus did chiefs, kings, priests, prophets, and church rulers eventually wield great power and exercise unbounded authority.
2. Evolution des Fetisches ^top 2. Evolution of the Fetish ^top
88:2.1 (968.6) Man nahm an, die Phantome bewohnten mit Vorliebe Gegenstände, die ihnen zu Lebzeiten gehört hatten. Dieser Glaube erklärt die Wirksamkeit vieler moderner Reliquien. Die Alten verehrten stets die Gebeine ihrer Führer, und die Skelettreste von Heiligen und Helden werden noch immer von vielen mit abergläubischer Ehrfurcht umgeben. Auch heute noch werden Pilgerfahrten zu den Gräbern großer Menschen unternommen. 88:2.1 (968.6) It was a supposed preference of ghosts to indwell some object which had belonged to them when alive in the flesh. This belief explains the efficacy of many modern relics. The ancients always revered the bones of their leaders, and the skeletal remains of saints and heroes are still regarded with superstitious awe by many. Even today, pilgrimages are made to the tombs of great men.
88:2.2 (968.7) Der Reliquienglaube ist eine natürliche Folge des einstigen Fetischkults. Die Reliquien moderner Religionen stellen einen Versuch dar, die Fetische der Wilden zu rationalisieren und ihnen dadurch im modernen religiösen System einen hohen Platz der Würde und Respektabilität zuzuweisen. Es ist heidnisch, an Fetische und Magie zu glauben, aber angeblich durchaus in Ordnung, Reliquien und Mirakel zu akzeptieren. 88:2.2 (968.7) Belief in relics is an outgrowth of the ancient fetish cult. The relics of modern religions represent an attempt to rationalize the fetish of the savage and thus elevate it to a place of dignity and respectability in the modern religious systems. It is heathenish to believe in fetishes and magic but supposedly all right to accept relics and miracles.
88:2.3 (969.1) Der Herd — die Feuerstelle — wurde immer mehr zu einem Fetisch, zu einem heiligen Platz. Heilige Schreine und Tempel waren zuerst Fetischstellen, weil die Toten dort begraben lagen. Die Fetischhütte der Hebräer erhob Moses zu jenem Ort, der nun den Überfetisch, das damals existierende Konzept des Gesetzes Gottes, beherbergte. Aber die Israeliten gaben den den Kanaanitern eigenen Glauben an den Steinaltar nie auf: „Und dieser Stein, den ich als Säule aufgerichtet habe, soll das Haus Gottes sein.“ Sie glaubten aufrichtig, dass der Geist ihres Gottes in solchen Steinaltären wohne, die in Wahrheit Fetische waren. 88:2.3 (969.1) The hearth—fireplace—became more or less of a fetish, a sacred spot. The shrines and temples were at first fetish places because the dead were buried there. The fetish hut of the Hebrews was elevated by Moses to that place where it harbored a superfetish, the then existent concept of the law of God. But the Israelites never gave up the peculiar Canaanite belief in the stone altar: “And this stone which I have set up as a pillar shall be God’s house.” They truly believed that the spirit of their God dwelt in such stone altars, which were in reality fetishes.
88:2.4 (969.2) Die ersten Standbilder wurden angefertigt, um das Aussehen berühmter Toter und die Erinnerung an sie zu verewigen; es waren wirkliche Monumente. Die Idole waren eine Verfeinerung des Fetischismus. Die Primitiven glaubten, dass eine Weihezeremonie die Wirkung hatte, den Geist in das Bild eingehen zu lassen; in derselben Weise erwarben bestimmte Gegenstände, einmal gesegnet, Zauberkräfte. 88:2.4 (969.2) The earliest images were made to preserve the appearance and memory of the illustrious dead; they were really monuments. Idols were a refinement of fetishism. The primitives believed that a ceremony of consecration caused the spirit to enter the image; likewise, when certain objects were blessed, they became charms.
88:2.5 (969.3) Als Moses dem alten Sittenkodex Dalamatias das zweite Gebot hinzufügte, geschah es in dem Bemühen, die Fetischverehrung der Hebräer in den Griff zu bekommen. Er verfügte mit Bedacht, dass sie keine Bilder herstellen sollten, die zu Fetischen hätten geweiht werden können. Er machte deutlich: „Du sollst dir kein Götzenbild und keine Darstellung von irgendetwas machen, was im Himmel oben oder auf der Erde hienieden oder im Wasser der Erde ist.“ Obwohl dieses Gebot beträchtlich zum Rückstand der Kunst unter den Juden beitrug, schwächte es tatsächlich den Fetischkult. Aber Moses war zu besonnen, als dass er versucht hätte, die alten Fetische plötzlich abzuschaffen, und er gestattete deshalb, dass man neben das Gesetz in die Bundeslade, die eine Mischung aus Kriegsaltar und religiösem Schrein war, auch gewisse Reliquien legte. 88:2.5 (969.3) Moses, in the addition of the second commandment to the ancient Dalamatian moral code, made an effort to control fetish worship among the Hebrews. He carefully directed that they should make no sort of image that might become consecrated as a fetish. He made it plain, “You shall not make a graven image or any likeness of anything that is in heaven above, or on the earth beneath, or in the waters of the earth.” While this commandment did much to retard art among the Jews, it did lessen fetish worship. But Moses was too wise to attempt suddenly to displace the olden fetishes, and he therefore consented to the putting of certain relics alongside the law in the combined war altar and religious shrine which was the ark.
88:2.6 (969.4) Und schließlich wurden die Worte zu Fetischen, insbesondere diejenigen, die als Gottes Worte betrachtet wurden; auf diese Weise wurden die heiligen Bücher vieler Religionen zu fetischistischen Gefängnissen, die für die geistige Einbildungskraft des Menschen zu Kerkern wurden. Ausgerechnet Mose Anstrengung gegen die Fetische wurde zu einem allerhöchsten Fetisch; sein Gebot wurde später dazu verwendet, die Kunst zu verdummen und die Freude am Schönen und seine Verehrung zu verzögern. 88:2.6 (969.4) Words eventually became fetishes, more especially those which were regarded as God’s words; in this way the sacred books of many religions have become fetishistic prisons incarcerating the spiritual imagination of man. Moses’ very effort against fetishes became a supreme fetish; his commandment was later used to stultify art and to retard the enjoyment and adoration of the beautiful.
88:2.7 (969.5) In alten Zeiten war das mit Autorität ausgestattete Fetischwort eine Furcht einflößende Doktrin, schrecklichster aller Tyrannen, die die Menschen versklaven. Ein doktrinärer Fetisch wird einen sterblichen Menschen unter Umständen dazu bringen, sich selbst zu verraten und sich der Macht von Frömmelei, Fanatismus, Aberglauben, Intoleranz und entsetzlichster barbarischer Grausamkeiten auszuliefern. Der moderne Respekt vor Weisheit und Wahrheit ist ein erst kürzlich entdeckter Fluchtweg aus der Neigung zu Fetischbildung und hinauf zu höheren Ebenen des Denkens und Folgerns. Was die angehäuften Fetischschriften betrifft, die die verschiedensten Gläubigen für heilige Bücher halten, so wird nicht nur geglaubt, dass, was im Buch steht, wahr ist, sondern auch, dass das Buch die ganze Wahrheit enthält. Wenn eines dieser heiligen Bücher die Erde zufällig als flach beschreibt, dann werden ansonsten vernünftige Männer und Frauen sich generationenlang weigern, eindeutige Beweise dafür, dass sie rund ist, zu akzeptieren. 88:2.7 (969.5) In olden times the fetish word of authority was a fear-inspiring doctrine, the most terrible of all tyrants which enslave men. A doctrinal fetish will lead mortal man to betray himself into the clutches of bigotry, fanaticism, superstition, intolerance, and the most atrocious of barbarous cruelties. Modern respect for wisdom and truth is but the recent escape from the fetish-making tendency up to the higher levels of thinking and reasoning. Concerning the accumulated fetish writings which various religionists hold as sacred books, it is not only believed that what is in the book is true, but also that every truth is contained in the book. If one of these sacred books happens to speak of the earth as being flat, then, for long generations, otherwise sane men and women will refuse to accept positive evidence that the planet is round.
88:2.8 (969.6) Die Praxis, eines dieser heiligen Bücher zu öffnen und den Blick auf einen zufälligen Abschnitt fallen zu lassen, dessen Befolgung vielleicht wichtige Lebensentscheidungen oder -projekte diktiert, ist nichts anderes als ausgesprochener Fetischismus. Auf ein „heiliges Buch“ einen Eid zu leisten oder bei einem höchste Verehrung genießenden Gegenstand zu schwören, ist eine Form von verfeinertem Fetischismus. 88:2.8 (969.6) The practice of opening one of these sacred books to let the eye chance upon a passage, the following of which may determine important life decisions or projects, is nothing more nor less than arrant fetishism. To take an oath on a “holy book” or to swear by some object of supreme veneration is a form of refined fetishism.
88:2.9 (969.7) Aber tatsächlich bedeutet es einen wirklichen evolutionären Fortschritt, von der fetischistischen Angst vor den Schnipseln der Fingernägel eines wilden Häuptlings zur Verehrung einer großartigen Sammlung von Briefen, Gesetzen, Legenden, Allegorien, Mythen, Gedichten und Chroniken fortzuschreiten, die letztlich das Beste der sittlichen Weisheit vieler Jahrhunderte widerspiegeln, wenigstens bis zu der Zeit, als sie zu einem „heiligen Buch“ zusammengestellt wurden. 88:2.9 (969.7) But it does represent real evolutionary progress to advance from the fetish fear of a savage chief’s fingernail trimmings to the adoration of a superb collection of letters, laws, legends, allegories, myths, poems, and chronicles which, after all, reflect the winnowed moral wisdom of many centuries, at least up to the time and event of their being assembled as a “sacred book.”
88:2.10 (970.1) Um zu Fetischen zu werden, mussten die Worte als inspiriert gelten, und die Berufung auf angeblich göttlich inspirierte Schriften führte direkt zur Begründung der Autorität der Kirche, während die Evolution ziviler Formen zur Herausbildung der Autorität des Staates führte. 88:2.10 (970.1) To become fetishes, words had to be considered inspired, and the invocation of supposed divinely inspired writings led directly to the establishment of the authority of the church, while the evolution of civil forms led to the fruition of the authority of the state.
3. Totemismus ^top 3. Totemism ^top
88:3.1 (970.2) Der Fetischismus zog sich durch alle primitiven Kulte hindurch, vom frühesten Glauben an heilige Steine über Götzendienst, Kannibalismus und Naturanbetung bis zum Totemismus. 88:3.1 (970.2) Fetishism ran through all the primitive cults from the earliest belief in sacred stones, through idolatry, cannibalism, and nature worship, to totemism.
88:3.2 (970.3) Totemismus ist eine Kombination von sozialen und religiösen Bräuchen. Ursprünglich dachte man, dass Hochachtung vor dem Totemtier, von dem man biologisch abzustammen glaubte, die Nahrungsversorgung sicherstelle. Die Totems waren gleichzeitig Symbole der Gruppe und ihres Gottes. Ein solcher Gott war der personifizierte Klan. Der Totemismus war eine Phase des Versuchs einer Sozialisierung der an sich persönlichen Religion. Das Totem verwandelte sich schließlich in die Flagge, das Nationalsymbol der verschiedenen modernen Völker. 88:3.2 (970.3) Totemism is a combination of social and religious observances. Originally it was thought that respect for the totem animal of supposed biologic origin insured the food supply. Totems were at one and the same time symbols of the group and their god. Such a god was the clan personified. Totemism was one phase of the attempted socialization of otherwise personal religion. The totem eventually evolved into the flag, or national symbol, of the various modern peoples.
88:3.3 (970.4) Ein Fetisch- oder Medizinköfferchen war eine Tasche, die eine ehrwürdige Sammlung von phantomdurchdrungenen Artikeln enthielt, und der Medizinmann vergangener Zeiten erlaubte seiner Tasche, dem Symbol seiner Macht, nie, den Boden zu berühren. Im zwanzigsten Jahrhundert achten die zivilisierten Völker ebenso darauf, dass ihre Flaggen, die Embleme ihres Nationalbewusstseins, nie den Boden berühren. 88:3.3 (970.4) A fetish bag, a medicine bag, was a pouch containing a reputable assortment of ghost-impregnated articles, and the medicine man of old never allowed his bag, the symbol of his power, to touch the ground. Civilized peoples in the twentieth century see to it that their flags, emblems of national consciousness, likewise never touch the ground.
88:3.4 (970.5) Die Insignien von Priester- und Königsamt wurden am Ende als Fetische betrachtet, und der Fetisch des höchsten Staates hat viele Entwicklungsstadien durchgemacht, vom Klan zum Stamm, von der Lehensherrschaft zur Souveränität, vom Totem zur Flagge. Die Fetischkönige haben mit „göttlichem Recht“ geherrscht, und es hat viele andere Regierungsformen gegeben. Die Menschen haben auch aus der Demokratie einen Fetisch gemacht, die Verherrlichung und Anbetung der Ideen des Durchschnittsmenschen, wenn man sie insgesamt als „öffentliche Meinung“ bezeichnet. Die Meinung eines Einzelnen wird, allein genommen, gering geachtet, aber wenn viele Menschen kollektiv als Demokratie funktionieren, macht man dasselbe mittelmäßige Urteil zum Schiedsrichter der Justiz und zur Norm der Rechtschaffenheit. 88:3.4 (970.5) The insignia of priestly and kingly office were eventually regarded as fetishes, and the fetish of the state supreme has passed through many stages of development, from clans to tribes, from suzerainty to sovereignty, from totems to flags. Fetish kings have ruled by “divine right,” and many other forms of government have obtained. Men have also made a fetish of democracy, the exaltation and adoration of the common man’s ideas when collectively called “public opinion.” One man’s opinion, when taken by itself, is not regarded as worth much, but when many men are collectively functioning as a democracy, this same mediocre judgment is held to be the arbiter of justice and the standard of righteousness.
4. Magie ^top 4. Magic ^top
88:4.1 (970.6) Der Zivilisierte geht die Probleme seines wirklichen Umfeldes mittels seiner Wissenschaft an; der Wilde versuchte die wirklichen Probleme einer illusorischen Phantomumwelt durch Magie zu lösen. Magie war die Technik zur Beeinflussung des eingebildeten Geisterumfelds, dessen Machenschaften unaufhörlich das Unerklärliche erklärten; sie war die Kunst, durch die Benutzung von Fetischen oder anderer und mächtigerer unsichtbarer Wesen die Geister zu freiwilliger Zusammenarbeit zu gewinnen und unfreiwillige Geisterhilfe herbeizuzwingen. 88:4.1 (970.6) Civilized man attacks the problems of a real environment through his science; savage man attempted to solve the real problems of an illusory ghost environment by magic. Magic was the technique of manipulating the conjectured spirit environment whose machinations endlessly explained the inexplicable; it was the art of obtaining voluntary spirit co-operation and of coercing involuntary spirit aid through the use of fetishes or other and more powerful spirits.
88:4.2 (970.7) Das Ziel von Magie, Hexerei und Geisterbeschwörung war ein Doppeltes: 88:4.2 (970.7) The object of magic, sorcery, and necromancy was twofold:
88:4.3 (970.8) 1. Einblick in die Zukunft zu gewinnen. 88:4.3 (970.8) 1. To secure insight into the future.
88:4.4 (970.9) 2. Das Umfeld günstig zu beeinflussen. 88:4.4 (970.9) 2. Favorably to influence environment.
88:4.5 (970.10) Die Ziele der Wissenschaft sind mit denen von Magie identisch. Die Menschheit schreitet nicht durch Meditation und Verstand von Magie zu Wissenschaft fort, sondern vielmehr durch lange Erfahrung, allmählich und mühsam. Der Mensch findet nach und nach im Rückwärtsgehen zur Wahrheit; er beginnt im Irrtum, macht im Irrtum weiter und gelangt endlich an die Schwelle der Wahrheit. Erst mit dem Aufkommen der wissenschaftlichen Methode hat er sich nach vorne gewandt. Aber der Primitive musste experimentieren oder untergehen. 88:4.5 (970.10) The objects of science are identical with those of magic. Mankind is progressing from magic to science, not by meditation and reason, but rather through long experience, gradually and painfully. Man is gradually backing into the truth, beginning in error, progressing in error, and finally attaining the threshold of truth. Only with the arrival of the scientific method has he faced forward. But primitive man had to experiment or perish.
88:4.6 (970.11) Die durch den frühen Aberglauben ausgeübte Faszination war die Mutter der späteren wissenschaftlichen Neugier. Es lebte in diesem primitiven Aberglauben ein vorwärts gerichtetes, dynamisches Gefühl — eine Mischung aus Furcht und Neugier; es gab in der alten Magie eine fortschrittliche Antriebskraft. All dieser Aberglaube stellte das Erwachen des menschlichen Wunsches dar, die planetarische Umwelt zu verstehen und zu meistern. 88:4.6 (970.11) The fascination of early superstition was the mother of the later scientific curiosity. There was progressive dynamic emotion—fear plus curiosity—in these primitive superstitions; there was progressive driving power in the olden magic. These superstitions represented the emergence of the human desire to know and to control planetary environment.
88:4.7 (971.1) Die Magie gewann eine solche Macht über den Wilden, weil er die Vorstellung von einem natürlichen Tod nicht begreifen konnte. Die spätere Idee von der Erbsünde trug viel dazu bei, den Griff zu lockern, in dem Magie die Rasse hielt, weil sie eine Erklärung für den natürlichen Tod bot. Es war zu einer gewissen Zeit überhaupt nichts Ungewöhnliches, dass zehn unschuldige Personen hingerichtet wurden, weil sie angeblich für den natürlichen Tod eines Einzigen verantwortlich waren. Das ist einer der Gründe, weshalb die alten Völker nicht schneller zunahmen, und dies gilt immer noch für einige afrikanische Stämme. Der Angeklagte bekannte sich gewöhnlich für schuldig, selbst noch angesichts des Todes. 88:4.7 (971.1) Magic gained such a strong hold upon the savage because he could not grasp the concept of natural death. The later idea of original sin helped much to weaken the grip of magic on the race in that it accounted for natural death. It was at one time not at all uncommon for ten innocent persons to be put to death because of supposed responsibility for one natural death. This is one reason why ancient peoples did not increase faster, and it is still true of some African tribes. The accused individual usually confessed guilt, even when facing death.
88:4.8 (971.2) Die Magie ist für einen Wilden natürlich. Er glaubt, dass ein Feind wirklich getötet werden kann, wenn über seinem Haarbüschel oder über Schnipseln seiner Fingernägel Hexerei betrieben wird. Die Tödlichkeit von Schlangenbissen wurde der Magie des Hexenmeisters zugeschrieben. Die Schwierigkeit, Magie zu bekämpfen, kommt von der Tatsache, dass Angst töten kann. Die primitiven Völker fürchteten sich derart vor Magie, dass diese tatsächlich tötete, und solche Resultate genügten, um sie in ihrem Irrglauben zu bestärken. Im Falle von Misserfolgen gab es immer irgendeine einleuchtende Erklärung; das Mittel bei versagender Magie war noch mehr Magie. 88:4.8 (971.2) Magic is natural to a savage. He believes that an enemy can actually be killed by practicing sorcery on his shingled hair or fingernail trimmings. The fatality of snake bites was attributed to the magic of the sorcerer. The difficulty in combating magic arises from the fact that fear can kill. Primitive peoples so feared magic that it did actually kill, and such results were sufficient to substantiate this erroneous belief. In case of failure there was always some plausible explanation; the cure for defective magic was more magic.
5. Magische Zauberkräfte ^top 5. Magical Charms ^top
88:5.1 (971.3) Da alles, was mit dem Körper zusammenhing, zu einem Fetisch werden konnte, hatte die früheste Magie mit Haaren und Nägeln zu tun. Die Geheimhaltung, die Körperausscheidungen umgab, wuchs aus der Furcht, ein Feind könnte sich irgendeines Körperproduktes bemächtigen und es für schädliche Magie benutzen; alle Körperexkremente wurden deshalb sorgfältig vergraben. Man versagte sich öffentliches Spucken aus Angst, der Speichel könnte zu verderblicher Magie dienen; Ausgespucktes wurde immer zugedeckt. Sogar Speisereste, Kleidungs- und Schmuckstücke konnten zu Instrumenten der Magie werden. Der Wilde ließ nie irgendwelche Speisereste auf dem Tisch zurück. Und all das tat er aus Furcht, seine Feinde könnten diese Dinge in magischen Riten verwenden, und nicht etwa, weil er den hygienischen Wert solcher Gewohnheiten geschätzt hätte. 88:5.1 (971.3) Since anything connected with the body could become a fetish, the earliest magic had to do with hair and nails. Secrecy attendant upon body elimination grew up out of fear that an enemy might get possession of something derived from the body and employ it in detrimental magic; all excreta of the body were therefore carefully buried. Public spitting was refrained from because of the fear that saliva would be used in deleterious magic; spittle was always covered. Even food remnants, clothing, and ornaments could become instruments of magic. The savage never left any remnants of his meal on the table. And all this was done through fear that one’s enemies might use these things in magical rites, not from any appreciation of the hygienic value of such practices.
88:5.2 (971.4) Zaubertränke wurden aus einer großen Vielfalt von Dingen zusammengebraut : aus Menschenfleisch, Tigerklauen, Krokodilzähnen, Samen von Giftpflanzen, Schlangengift und Menschenhaar. Das Gebein von Toten war sehr magisch. Sogar der Staub von Fußspuren konnte in der Magie verwendet werden. Die Alten hatten einen starken Glauben an Liebestränke. Blut und andere Körpersekretionen waren imstande, den magischen Einfluss der Liebe sicherzustellen. 88:5.2 (971.4) Magical charms were concocted from a great variety of things: human flesh, tiger claws, crocodile teeth, poison plant seeds, snake venom, and human hair. The bones of the dead were very magical. Even the dust from footprints could be used in magic. The ancients were great believers in love charms. Blood and other forms of bodily secretions were able to insure the magic influence of love.
88:5.3 (971.5) Bildern wurde in der Magie eine große Wirksamkeit zugeschrieben. Man fertigte bildhafte Darstellungen an, und wenn diese in bösem oder gutem Sinne behandelt wurden, glaubte man, dieselben Wirkungen würden sich an der wirklichen Person zeigen. Wenn sie Einkäufe machten, kauten abergläubische Menschen auf einem harten Holzstück herum, um das Herz des Verkäufers zu erweichen. 88:5.3 (971.5) Images were supposed to be effective in magic. Effigies were made, and when treated ill or well, the same effects were believed to rest upon the real person. When making purchases, superstitious persons would chew a bit of hard wood in order to soften the heart of the seller.
88:5.4 (971.6) Die Milch einer schwarzen Kuh war in hohem Grade magisch; ebenso schwarze Katzen. Ein Stock oder ein Stab waren magisch, und ebenso die Trommeln, Glocken und Knoten. Sämtliche alten Gegenstände besaßen Zauberkraft. Man sah mit Missfallen auf die Praktiken einer neuen oder höheren Zivilisation wegen ihrer angeblich bösartigen magischen Natur. Schreiben, Drucken und Abbildungen wurden lange so gesehen. 88:5.4 (971.6) The milk of a black cow was highly magical; so also were black cats. The staff or wand was magical, along with drums, bells, and knots. All ancient objects were magical charms. The practices of a new or higher civilization were looked upon with disfavor because of their supposedly evil magical nature. Writing, printing, and pictures were long so regarded.
88:5.5 (971.7) Der Primitive glaubte, dass Namen, und insbesondere Namen von Göttern, mit Respekt behandelt werden müssten. Der Name wurde als eine Wesenheit empfunden, als ein von der physischen Persönlichkeit verschiedener Einfluss; er wurde ebenso sehr geachtet wie die Seele und der Schatten. Namen konnten gegen ein Darlehen verpfändet werden; jemand durfte seinen Namen nicht eher wieder gebrauchen, als bis er ihn durch Bezahlung des Darlehens eingelöst hatte. Heutzutage unterschreibt man auf einem Schuldschein mit seinem Namen. Der Name des Einzelnen wurde in der Magie bald wichtig. Der Wilde hatte zwei Namen; der wichtige wurde als zu heilig angesehen, um bei gewöhnlichen Gelegenheiten gebraucht zu werden; deshalb hatte er einen zweiten Namen für den Alltag — einen Beinamen. Nie nannte er Fremden gegenüber seinen wirklichen Namen. Irgendeine außergewöhnliche Erfahrung konnte ihn veranlassen, seinen Namen zu wechseln; manchmal geschah es aus dem Bedürfnis heraus, von einer Krankheit geheilt zu werden oder Unglück aufzuhalten. Der Wilde konnte sich einen neuen Namen verschaffen, indem er ihn vom Stammeshäuptling kaufte; immer noch investieren die Menschen viel in Titel und Grade. Aber bei primitivsten Stämmen wie den afrikanischen Buschmännern existieren keine individuellen Namen. 88:5.5 (971.7) Primitive man believed that names must be treated with respect, especially names of the gods. The name was regarded as an entity, an influence distinct from the physical personality; it was esteemed equally with the soul and the shadow. Names were pawned for loans; a man could not use his name until it had been redeemed by payment of the loan. Nowadays one signs his name to a note. An individual’s name soon became important in magic. The savage had two names; the important one was regarded as too sacred to use on ordinary occasions, hence the second or everyday name—a nickname. He never told his real name to strangers. Any experience of an unusual nature caused him to change his name; sometimes it was in an effort to cure disease or to stop bad luck. The savage could get a new name by buying it from the tribal chief; men still invest in titles and degrees. But among the most primitive tribes, such as the African Bushmen, individual names do not exist.
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88:6.1 (972.1) Wer Magie praktizierte, gebrauchte Stäbe, „Medizin“-Rituale und Beschwörungen und arbeitete gewöhnlich unbekleidet. Unter den primitiven Magiern waren die Frauen zahlreicher als die Männer. In der Magie bedeutet „Medizin“ Mysterium und nicht Behandlung. Der Wilde behandelte sich nie selber; er gebrauchte nie irgendwelche Heilmittel, außer auf Anraten von Spezialisten der Magie. Die Voodoo-Doktoren des zwanzigsten Jahrhunderts sind typisch für die Magier früherer Zeiten. 88:6.1 (972.1) Magic was practiced through the use of wands, “medicine” ritual, and incantations, and it was customary for the practitioner to work unclothed. Women outnumbered the men among primitive magicians. In magic, “medicine” means mystery, not treatment. The savage never doctored himself; he never used medicines except on the advice of the specialists in magic. And the voodoo doctors of the twentieth century are typical of the magicians of old.
88:6.2 (972.2) Es gab zwei Arten von Magie, eine öffentliche und eine private. Die von Medizinmännern, Schamanen und Priestern geübte geschah angeblich zum Wohl des ganzen Stammes. Hexen, Hexer und Zauberer gewährten private Magie, persönliche und eigennützige Magie, die als Zwangsmittel angewendet wurde, um Unglück über seine Feinde zu bringen. Die Vorstellung von einer doppelten, aus guten und bösen Geistern bestehenden Geisterwelt ließ den späteren Glauben an weiße und schwarze Magie entstehen. Und als die Religion sich entwickelte, bezeichnete das Wort Magie das Wirken von Geistern, das sich außerhalb des eigenen Kultes abspielte, und es wies auch auf älteren Geisterglauben hin. 88:6.2 (972.2) There was both a public and a private phase to magic. That performed by the medicine man, shaman, or priest was supposed to be for the good of the whole tribe. Witches, sorcerers, and wizards dispensed private magic, personal and selfish magic which was employed as a coercive method of bringing evil on one’s enemies. The concept of dual spiritism, good and bad spirits, gave rise to the later beliefs in white and black magic. And as religion evolved, magic was the term applied to spirit operations outside one’s own cult, and it also referred to older ghost beliefs.
88:6.3 (972.3) Wortkombinationen, mit Gesängen und Beschwörungen einhergehende Rituale waren hochmagisch. Einige frühere Beschwörungen entwickelten sich schließlich zu Gebeten. Bald wurde auch imitative Magie geübt; Gebete wurden dargestellt; magische Tänze waren nichts anderes als dramatische Gebete. Allmählich trat das Gebet an die Stelle von Magie, um Opferhandlungen zu begleiten. 88:6.3 (972.3) Word combinations, the ritual of chants and incantations, were highly magical. Some early incantations finally evolved into prayers. Presently, imitative magic was practiced; prayers were acted out; magical dances were nothing but dramatic prayers. Prayer gradually displaced magic as the associate of sacrifice.
88:6.4 (972.4) Die Gestik ist älter als die Sprache, und sie war deshalb umso heiliger und magischer, und der Mimik schrieb man große magische Kraft zu. Die roten Menschen führten oft einen Büffeltanz auf, in welchem einer der ihren den Büffelpart spielte, und sein Fang stellte den Erfolg der bevorstehenden Jagd sicher. Die sexuellen Festlichkeiten des 1. Mai waren einfach imitative Magie, eine suggestive Anrufung der sexuellen Leidenschaften der Pflanzenwelt. Die Puppe wurde zuerst von unfruchtbaren Frauen als magischer Talisman gebraucht. 88:6.4 (972.4) Gesture, being older than speech, was the more holy and magical, and mimicry was believed to have strong magical power. The red men often staged a buffalo dance in which one of their number would play the part of a buffalo and, in being caught, would insure the success of the impending hunt. The sex festivities of May Day were simply imitative magic, a suggestive appeal to the sex passions of the plant world. The doll was first employed as a magic talisman by the barren wife.
88:6.5 (972.5) Die Magie war jener Zweig am Baum der evolutionären Religion, der am Ende die Frucht des wissenschaftlichen Zeitalters trug. Der Glaube an Astrologie führte zur Entwicklung der Astronomie, der Glaube an den Stein der Weisen führte zur Beherrschung der Metalle, während der Glaube an magische Zahlen die Wissenschaft der Mathematik begründete. 88:6.5 (972.5) Magic was the branch off the evolutionary religious tree which eventually bore the fruit of a scientific age. Belief in astrology led to the development of astronomy; belief in a philosopher’s stone led to the mastery of metals, while belief in magic numbers founded the science of mathematics.
88:6.6 (972.6) Aber eine derart mit Zauberkräften angefüllte Welt trug viel zur Zerstörung aller persönlichen Ambition und Initiative bei. Die Früchte besonderer Anstrengungen oder von Fleiß wurden auf Magie zurückgeführt. Wenn jemand mehr Korn auf seinem Feld stehen hatte als sein Nachbar, konnte es geschehen, dass er vor den Häuptling gerufen und angeklagt wurde, das Mehr an Korn vom Feld seines trägen Nachbarn weggelockt zu haben. In der Tat war es in den Tagen der Barbarei gefährlich, sehr viel zu wissen; es bestand immer die Möglichkeit, als Adept der Schwarzen Kunst hingerichtet zu werden. 88:6.6 (972.6) But a world so filled with charms did much to destroy all personal ambition and initiative. The fruits of extra labor or of diligence were looked upon as magical. If a man had more grain in his field than his neighbor, he might be haled before the chief and charged with enticing this extra grain from the indolent neighbor’s field. Indeed, in the days of barbarism it was dangerous to know very much; there was always the chance of being executed as a black artist.
88:6.7 (972.7) Schrittweise entfernt die Wissenschaft das Glücksspiel-Element aus dem Leben. Aber wenn die modernen Erziehungsmethoden scheitern sollten, gäbe es eine fast augenblickliche Rückkehr zum primitiven Glauben an Magie. Solcher Aberglaube verweilt immer noch in den Gemütern vieler sogenannter zivilisierter Leute. Die Sprache enthält viele Fossilien, die davon Zeugnis ablegen, dass die Rasse lange Zeit von magischem Aberglauben durchdrungen war; sie enthält Wörter wie: in seinen Bann schlagen, unter einem ungünstigen Stern stehen, Besessenheit, Inspiration, wegzaubern, Genialität, bezaubernd, wie vom Donner gerührt und erstaunt. Und intelligente Menschenwesen glauben immer noch an Glück, bösen Blick und Astrologie. 88:6.7 (972.7) Gradually science is removing the gambling element from life. But if modern methods of education should fail, there would be an almost immediate reversion to the primitive beliefs in magic. These superstitions still linger in the minds of many so-called civilized people. Language contains many fossils which testify that the race has long been steeped in magical superstition, such words as spellbound, ill-starred, possessions, inspiration, spirit away, ingenuity, entrancing, thunderstruck, and astonished. And intelligent human beings still believe in good luck, the evil eye, and astrology.
88:6.8 (973.1) Die alte Magie war der Kokon moderner Wissenschaft, zu ihrer Zeit unentbehrlich, aber jetzt nicht mehr von Nutzen. Und so bewegten die aus unwissendem Aberglauben geborenen Phantasmen die primitiven Gemüter der Menschen, bis die Konzepte der Wissenschaft geboren werden konnten. Heute befindet sich Urantia in einer zwielichtigen Zone seiner intellektuellen Entwicklung. Eine Hälfte der Welt strebt begierig nach dem Licht der Wahrheit und den Tatsachen wissenschaftlicher Entdeckung, während die andere Hälfte in den Stricken alten Aberglaubens und kaum verhüllter Magie schmachtet. 88:6.8 (973.1) Ancient magic was the cocoon of modern science, indispensable in its time but now no longer useful. And so the phantasms of ignorant superstition agitated the primitive minds of men until the concepts of science could be born. Today, Urantia is in the twilight zone of this intellectual evolution. One half the world is grasping eagerly for the light of truth and the facts of scientific discovery, while the other half languishes in the arms of ancient superstition and but thinly disguised magic.
88:6.9 (973.2) [Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern Nebadons.] 88:6.9 (973.2) [Presented by a Brilliant Evening Star of Nebadon.]